Kapitel 1

Die grelle Herbstsonne erstreckte sich über den gesamten Gehweg, als 5 Kinder diesen Weg zur Schule beschritten. Der Morgen war um diese Jahreszeit ziemlich kalt, deswegen waren Erkältungswellen nicht selten in dieser Region und trotzdem liefen wie üblich genau diese 5 Kinder diesen Weg jeden Tag, um nach einem Ereignisreichen Unterricht, der für manche öde zu sein scheint, wieder denselben Weg nach Hause zu laufen. Allerlei Nebengespräche, wie zum Beispiel wie aufregend die neueste Folge ihrer Lieblingsactionserie war, die sie sich am Vortag angesehen haben, oder welcher Fußballer im letzten Match ein tolles Tor erzielt haben soll, oder dass ein gewisser Jemand aufhören sollte ununterbrochen über Aal auf Reis zu reden, sind hier an der Tagesordnung. Und wie so oft, gibt es auch unter anderem manche Streitigkeiten zu besprechen, so wie an diesem Tag.

„Ach komm schon, nur dieses eine Mal."

„Wie gesagt, nein heißt nein und ich werde mich nicht, so wie oft von dir einschleimen lassen, nur damit du deine Zeit unnötig mit ihr verbringen kannst."

„Bitte Haibara, ich kann dir versichern, ich werde es nur bei Notfällen einsetzen."

„Haibara dies, Haibara das, wann hört es endlich auf, kannst du mir das mal sagen?"

„D-Das ist doch nur…, weil ich bald mit ihr nach Osaka fahren will."

„Warum denn?"

„Es geht doch nur um eine Fahrt, okay? Nichts um was man sich Sorgen machen müsste."

„Pah, bei dir bin ich mir da nicht so sicher, dass du mir nichts, dir nichts einfach so auf die Bühne springst, mal wieder irgendeinen Fall löst und dann urplötzlich irgendwo im Fernsehen erscheinst, von wegen „Der berühmte Meisterdetektiv ist wieder zurück!" und so weiter. So wie letztens, wenn du verstehst, was ich meine." (siehe Band 96)

„Lass das mal lieber stehen, ja? Ich habe genug worüber ich mich zu kümmern habe, also bring das nicht wieder auf den Tisch. Das hier ist was ganz anderes und ich habe mich einen Monat lang darauf vorbereitet. Ich habe dich ja auch die ganze Zeit darüber gefragt und du hast mir bis jetzt immer noch nicht deine Antwort darauf gegeben. Was glaubst du, wie oft ich dich darüber noch ausfragen soll?"

Sie seufzte mal wieder. Stressig ist es mal zu mal mit diesem Typen tagein tagaus hin und zurück zu laufen, nur um wieder mal von ihm wegen ein paar blöden Pillen angebettelt zu werden. Ändern wird er sich vorerst nicht, also sollte man ihm früher oder später das Maul stopfen, soviel ist sicher. Jeden Tag seit letztem Monat ist er so und hat jedes Mal nur dasselbe gefragt. Nerven hat er, dieser Detektiv.

„Also krieg ich jetzt mein Gegenmittel?"

„Nicht jetzt, Kudo. Wir sind gerade auf dem Weg zur Schule, vergiss das nicht."

„Ja, das weiß ich auch. Trotzdem, irgendwann musst du mir doch eine klare Antwort geben."

Der Junge, der neben ihr lief, hatte eine ziemliche Dreistigkeit, sie um diese Uhrzeit, jetzt wo sie gerade eben erst aufgestanden ist, ununterbrochen auf sie einzuhacken. Sie fing an sich zu wundern, ob es niemanden sonst noch stört, denn außer ihr laufen noch 3 weitere Kinder neben ihnen.

Bevor der Junge noch weiteres erwidern wollte, kamen die Kommentare wie angeschossen von vorne. Diesmal meldet sich das junge Mädchen vor ihm zu Wort.

„Conan, lass doch Ai in Ruhe! Es reicht, dass du ständig mit ihr heimlich über irgendetwas redest und uns dabei ausschließt, aber dieses ständige herumgenörgle muss irgendwann aufhören.", sagte das Mädchen.

„Ja genau, du machst das jeden einzelnen Tag und ich kann dem nicht mehr zuhören.", sagte der etwas schlankere Junge neben ihr.

„Ich muss schon sagen, Ayumi hat recht, ihr redet jedes Mal über irgendetwas und weiht uns nicht ein. Das ist einfach nur total unfair.", antwortete schließlich der dickere Junge.

„Beruhigt euch doch Leute, ich hab doch nur-"

Conan stockte, wechselte seinen Blick zur Seite und schnalzte genervt mit der Zunge. Er kam gegen die drei einfach nicht an. Ai unterdessen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und ihr war ihr zu Lachen zu mute, bei der schieren Überzeugungskraft dieser drei. Schließlich gab sie es auf und kicherte stattdessen in sich hinein, was die Aufmerksamkeit von Conan erregte und er sie daraufhin wütend anstarrte, jedoch hielt es nur für einen Moment an, dann verflog in ihm die Wut langsam. Er war ihr nicht böse, er konnte es nicht. Nach all den Abenteuern, die sie auf ihrem Weg bestritten haben, sehnte er sich auch nach nichts anderem, als mit den Detective Boys den Weg zur Schule zu gehen und den Frieden, solange er noch unter ihnen weilte, mit vollen Zügen zu genießen. Für Wut oder Hass hatte er diesbezüglich keinen Platz mehr. Er lächelte stattdessen.

„Also Leute, was habt ihr für heute vorgehabt?", warf er in die Runde.

„Mal überlegen," antwortete der schlanke Junge, „ich denke, heute arbeite ich an meinem Plakat weiter."

„Ach ja, Mitsuhiko ist ja gestern zu spät zum Unterricht gekommen, das war wohl die wohlverdiente Strafe dafür gewesen.", sagte der dickere Junge neben ihm und lachte lauthals, sodass sich einige Passanten umdrehten und ihn auf Teufel komm raus anstarrten, als wäre er der letzte Irre auf diesem Planeten.

Conan konnte auch nicht mehr und lachte mit.

„Das ist nicht witzig, Genta! Ich hab doch nur zu spät gemerkt, dass ich vergessen habe mein Essen einzupacken!", rief Mitsuhiko ihnen entgegen, um das Lachen auszugleichen.

Ayumi musste auch langsam kichern.

„Mann, als hätte ich nicht genug Probleme, um die ich mich kümmern muss.", sagte Mitsuhiko und verschränkte die Arme.

„Tut mir leid, Mitsuhiko. Es ist nur, ich konnte deinen Anblick von gestern nicht vergessen, wie du komplett nass da standest, wie der letzte Obdachlose.", sagte Genta und lachte umso mehr, jetzt da ihm wieder den Anblick vom Vortag wieder vor die Augen aufkam. Klatschnass stand er da, mit einem kaputten Regenschirm, nachdem er knapp eine Stunde zu spät aufkreuzte und während dem Unterricht ihm die Kleidung nach dem Regen förmlich von den Schultern herunterhing.

Jetzt konnte sich auch Ai nicht mehr einkriegen und kicherte unaufhörlich.

„Na na, jetzt lasst doch den armen Mitsuhiko in Ruhe. Er hat schon genug auf sich genommen. Weißt du was, ich kann dir das nächste Mal bei der Präsentation helfen, also nur wenn du willst, natürlich.", antwortete Ayumi und versuchte ihn zu trösten, „und die anderen von den Detective Boys werden bei deinem Projekt auch mithelfen, oder?"

Sie warf einen erwartungsvollen Blick in die Runde.

„Na und ob!", antworteten Genta, Conan und Ai im Akkord.

„Danke Leute, ich bin wirklich froh, euch als Freunde zu haben.", sagte Mitsuhiko und wischte sich die Tränen von den Augen.

„Kein Problem, Mitsuhiko. Dafür sind wir doch-"

Bevor Conan seinen Satz beenden wollte, wurde von einem lauten Niesanfall unterbrochen, der anscheinend von Ayumi kam. Ein Nieser, dann ein weiterer Nieser und dann noch einer. Drei ganze Nieser. Und alle drei waren gut hörbar.

„Alles okay, Ayumi? Du siehst irgendwie ganz blass aus.", erkundigte sich Conan und reichte ihr ein Taschentuch.

Genta und Mitsuhiko drehten sich um und sahen Ayumi zu, wie ihr die Erkältung förmlich auf die Stirn geschrieben schien.

„Alles gut", sie schniefte „ich fühl mich halt in letzter Zeit nicht so blendend. Ich musste gestern Besorgungen für meine Mutter holen und da hat es plötzlich angefangen zu regnen."

Sie schniefte ein weiteres Mal, bevor sie in das Taschentuch schnäuzte. Ihre Nase hat sich in eine knallige Mischung aus Rot und Rosa gefärbt und ihr hing schon ein winziges Stück Rotze herunter. Conan fand diesen Anblick irgendwie lustig, aber auch ekelhaft, wobei er sich jedoch zurückhalten musste, um sie nicht aus Versehen zu beleidigen. Stattdessen lief er zu ihr und holte ein frisches Taschentuch aus seiner Hosentasche heraus.

„Hier lass mich das machen", sagte er und putzte damit ihre Nase, was Ayumi überraschte und es mit Grunzgeräuschen und einem gedämpften „Häh?" und „Hey, was soll das?" kommentierte.

Genta und Mitsuhiko waren noch überraschter als Ayumi, bis ihnen auch gleich die Wut überkam.

„Hey Conan, hör auf mit dem Blödsinn!", riefen die beiden gleichzeitig.

Schließlich war Conan fertig und nahm das Taschentuch an sich, währenddessen er eine verwirrte und zugleich peinlich überraschte Ayumi zurückließ, die gleich danach komplett errötete und von der Gesichtsfarbe her eher einer Tomate glich.

„Mach so etwas nie wieder mit ihr, hast du mich verstanden, Conan?", drohten ihm beide.

„Was regt ihr euch denn doch so auf? Seht ihr beide denn nicht, dass sie eine Erkältung hat?", antwortete Conan abwehrend.

„Trotzdem, so eine Aktion…", sagte Mitsuhiko und verschränkte wieder die Arme, während er sauer zur Seite blickte.

„Pah, macht mit ihr, was er will. Was fällt dir ein?", maulte Genta wütend und stapfte los.

„A-Ach komm schon Genta, Conan hat mir doch nur geholfen.", verteidigte Ayumi, doch Genta war schon längst vorrangegangen.

Sie schaute auf, drehte sich um und blickte Conan ein wenig wütend an. Selbst ohne seinen detektivischen Scharfsinn konnte er erkennen, dass es ihr peinlich war und ihr Gesicht sich in rote Farbe hüllte, bis sich plötzlich ihre Mine von einem wütenden Gesichtsausdruck zu purem Schock und Aufregung veränderte. Danach schrie sie kurz auf, blieb auf der Stelle stehen und blickte starr auf den Straßenübergang vor ihnen.

„Ayumi?", fragte Conan besorgt.

„Nein, das kann doch nicht sein. Das kann nicht sein.", murmelte sie erschrocken, während sie sich bückte, ihre Schultasche öffnete und nach etwas suchte. Dann hielt sie kurz inne und starrte auf den Inhalt.

„Leute, ich glaube ich habe etwas Wichtiges vergessen!", rief sie, nachdem sie ihre Tasche schloss und sie wieder anzog.

„Was denn?", fragte schließlich Ai und blickte voller Verwunderung zurück.

„Meine Hausaufgaben! Ich dachte ich hätte sie hier eingepackt.", antwortete Ayumi.

„Deine Hausaufgaben?", wiederholte Conan.

„Ja, ich denke ich muss schnell zurück nach Hause laufen und sie schnell von dort holen!", entgegnete sie und machte sich bereit loszulaufen. „Lauft schon mal vor, ich komme nach.", fügte sie noch hinzu.

„Ich denke du kannst es noch schaffen, wenn du dich beeilst. Bis dahin ist es nicht weit!", rief Conan ihr zu, während sie sich auf den Weg machte und ihm zuwinkte. Er und Ai winkten ihr zurück, dann drehten sie sich um und liefen weiter ihren Weg zur Schule.

„Kommt es mir nur so vor, oder vergisst sie ihre Sachen letzter Zeit immer öfters?", fragte Ai mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, als sie Ayumi nachschaute, die bei dieser Zeit eine beträchtliche Entfernung zurückgelegt hatte und schon in die nächste Seitenstraße abbog und somit nicht mehr zu sehen war.

„Wenn du's so sagst, ja, ich denke da ist was dran. Ich weiß aber nicht was sie in letzter Zeit so antreibt. So, als wäre sie irgendwie mit ihren Gedanken ganz woanders.", antwortete Conan.

„Aber ich kann da für sie nur hoffen, dass sie es rechtzeitig zum Unterricht schafft.", fügte er noch hinzu und lächelte Ai an.

Ai sah ihn mit einem etwas genervten Ausdruck an, dann schwenkte sie ihren Blick gen Himmel. So ist er immer. So und nicht anders. Es wird sich nichts ändern. Und deswegen ist er manchmal auch so verdammt nervig. Aber warum ist er immer ununterbrochen in ihrem…?

Ai sah Conan für einen Augenblick an, öffnete den Mund und wollte ihm etwas dazu sagen, doch dann verwarf sie es im letzten Moment und schüttelte stattdessen nur den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Er hat ihr schon genug gegeben und von ihr genommen und umgekehrt. Trotzdem fühlte es sich an, als würde etwas fehlen. Sie wusste bloß nicht, was.

Und überhaupt, nach allem was sie zusammen alles erlebt und zur Schwarzen Organisation in Erfahrung gebracht hatten, egal bei welcher brenzlichen Situation sie sich auch befanden, sei es den Vorfall mit Pisco, bei dem sie fast gestorben wäre und elendig als Brandleiche geendet hätte, die erste Begegnung mit Vermouth, der für sie oder für jeden anderen tödlich geendet hätte oder beim Fall, wo der gesamte Bus samt Insassen als Geisel genommen wurde, immer lachte er ihr letzten Endes zu. Warum nur…?

Ai schüttelte wieder den Kopf und schaute auf die Straße, die sie bald als nächstes überqueren müssen. Sie brauchte einen anderen Fokuspunkt, um sich auf etwas Anderes zu konzentrieren. Jetzt ist nicht die Zeit für unnötige Gedanken. Sie hat schon besseres zu tun als das.

Und damit schloss sie ihre Gedankengänge ab.