Kapitel 2
So schnell wie ihre Beine sie tragen konnten, rannte Ayumi die Straße hinunter, in der Hoffnung es doch noch in die Schule zu schaffen. Ihre Schultasche schwang hin und her, was ihr jedoch mehr wie eine Last vorkam, als eine Methode die Trägheit der Tasche, die durch den Schwung, den sie dafür aufnahm, als zusätzlichen Geschwindigkeitsbonus zu nutzen, wenn auch nur sehr minimal. Sie nahm diesmal eine der Abkürzungen, die es ihr ermöglichten einen großen Abschnitt des Weges zu überspringen, damit sie sich ungefähr zwei Minuten ersparen konnte. Und während sie rannte, hatte sie immer stets den Blick nach oben zum Hochhaus gerichtet. Je näher es ihr vorkam, umso erleichterter war sie endlich da zu sein, damit sie ihre Hausaufgaben abholen konnte und wieder zur Schule rennen konnte. Ihre Gedanken jedoch schweiften von einer Sache zur anderen, sei es Conans ernster Blick, während er wie auch so oft über etwas nachdachte, oder was er so dringend mit Ai bereden wollte und dabei endeten immer ihre Gedankengänge bei einem Thema. Sie merkte, dass sie sich selbst damit ablenkte und rannte umso mehr, die Augen immer noch auf das Gebäude gerichtet.
Endlich überquerte sie die letzte Ampel und stand vor der Eingangstür. Sie öffnete diese mit ihrem Schlüssel, den sie in ihrem Detective Boys Remitter am Schlüsselbund dazu gehängt hatte und begann hastig die Treppen zu steigen. Allmählich merkte sie, wie anstrengend es für sie geworden ist, jetzt da sie voller Eile den ganzen Weg hierher gerannt ist und damit außer Puste war, doch sie gab nicht auf und bahnte sich ihren Weg zum fünften Stock.
Am sechsten Stock angekommen, hörte sie von oben, wie sich eine Tür öffnete und sich zwei Stimmen zweier Männer offenbarten. Die erste Stimme hörte sich rau an und seine Stimmlage war wie die eines Bankräubers sehr ähnlich. Die zweite Stimme jedoch winselte, während es sich anhörte, als würde jemand mit Fäusten auf ihn einschlagen. Ayumi fuhr plötzlich zusammen als sie erschrak, blieb daraufhin für eine Weile stehen und schlich sich nur noch langsam vorran. Sie kam zum siebten Stock nur langsam an, während die Stimmen lauter wurden und sich zu Geschrei entwickelten. Angsterfüllt zögerte sie ein wenig, dann fasste sie ihren Mut zusammen.
Sich langsam in der Hocke vorranwagend, kam sie bis zu den Treppen vor, die zum nächsten Stock führen, wo sie das Geschehen miterleben konnte. Vor der Eingangstür standen zwei Männer, einer den anderen am Hals packend, während sich der andere mit Leibeskräften dagegen wehrte. Der Mann war in einer braunen Jacke gekleidet, bei dem Ayumi weder Gesicht, noch seine genaue Statur, sondern nur den Hinterkopf sehen konnte, der volle pechschwarze Haare hatte.
„Ich sagte dir doch schon, ich hab das Geld nicht, verdammt! Ich werde, so früh es geht mich darum kümmern, versprochen!", sagte die etwas winselnde Stimme, während seine Stimme langsam heiser wurde, als er verzweifelt versuchte sich vom Griff des Mannes zu befreien.
„Was hab ich dir letzte Woche gesagt, du kleine Ratte, häh?! Ich. Will. Das. Gottverdammte. Geld. Zurück! Hast du mich verstanden, Mann?", rief der andere Mann, während er jedes Wort mit einer Schelle unterstrich. Schließlich ließ er ihn los und warf ihn zu Boden, wo er mit einem schmerzverzerrten Gesicht hart aufschlug.
Der etwas magere Mann, der jetzt mit Tränen im Gesicht auf dem Boden lag, tastete sich vorran; er schien nach etwas zu suchen. Der Mann mit der Jacke drehte sich um, jedoch machte er keine Anstalten zu gehen. Stattdessen zog er eine Zigarette aus seiner Jackentasche und zündete sie an, während er ohne sich umzudrehen begann zu reden.
„Du hattest ganze sechs Tage, nein neun… neun verdammte Tage Zeit, das Geld das du dir von mir geliehen hattest, zurückzugeben. Und für was hast du es genutzt, häh?! N' Scheißdreck hast du's genutzt! Zu hohe Steuern? Dir wurde Kredit unterschlagen? Hahah, das ich nicht lache! Du kleiner Kotzbrocken hast dich doch die gesamte Zeit in lauter Vergnügungsvierteln und in den Pachinkohallen von Akihabara herumgetrieben. Da hat man Mitleid mit dir und was machst du daraus, häh?"
Während der dickgekleidete Mann seine Predigt hielt, merkte Ayumi durch ihre Erkältung plötzlich, dass sie niesen musste. Auch das noch. Sie konnte sich jetzt nur noch lautlos die Nase zu halten. Sie spürte, wie ihre Nase anfing wie verrückt zu jucken. Bloß nicht jetzt, sonst ist es vorbei. Glücklicherweise konnte sie sich in letzter Sekunde noch fangen und ihre Erkältung zurückhalten.
Der Mann drehte sich zum am Boden liegenden Mann um. Ayumi duckte sich, um von ihm nicht gesehen zu werden. Ihr traten schon Schweißperlen auf ihrem mit angsterfülltem Gesicht und sie merkte, wie sehr ihre Knie zitterten. Trotzdem machte sie keinen Laut und bewegte sich nicht von der Stelle.
„Was soll nur aus dir werden, hmm?" Er lachte hämisch und blies den Rauch aus seinem Mund aus. „Ich habe dir vertraut. Du warst sowas wie'n Freund für mich. Hast du gehört? N' Freund hab ich gesagt. Dass du mich so betrügst, hätte ich nicht von dir erwartet. Aber gut."
Er machte eine kleine Pause, um die übrig gebliebene Asche aus seinem Zigarettenstummel herunterfallen zu lassen.
„Du hast die Wahl, entweder bringst du mir das Geld jetzt und wir sind Quitt ooooder ich verklage dich beim Gericht und wir sehen uns in ein paar Monaten im Gefängnis, nur mit dem Unterschied, dass ich diesmal derjenige bin, der dich besuchen kommt. Heheh. Ist doch nett, oder? Ich mein, das machen ja Freunde, sie sind füreinander da, so ist es doch, oder irre ich mich etwa?", fuhr dieser Mann fort, so als würde er mit ihm spielen.
„I-Ich…", stammelte der am Boden liegende Mann und erhob sich langsam. Die Tränen, die er verbleiben ließ, tropften von seinem Kinn zu Boden auf die Pfützen, die sich schon gebildet haben. Er wischte sich mit tropfender Nase die Augenlider und sah seinen Widersacher wütend an.
„Was, ich? Jetzt sag doch was Gescheites. Komm schon, ich kann dich ja überhaupt nicht mehr verstehen, mit deinem Kloß im Hals.", sagte dieser und seufzte, während er genervt mit den Augen rollte.
„Oh und nebenbei gesagt, werd ich mich dafür revanchieren, dass du mir vor vier Jahren meine Frau ausgespannt hast. Das hab ich dir doch gesagt, oder? Hast du Vollidiot wirklich geglaubt, ich hätte das vergessen?", er machte eine kurze Pause, bis er noch lachend hinzufügte, „Ja ja, auch ich wundere mich manchmal selbst warum ich noch mit dir befreundet bin."
„E-Es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht mehr w-warum ich das getan habe. A-Aber alles was ich getan habe, habe ich doch nur für dich getan.", stotterte der Mann vor sich hin, während er nach etwas in seinen Hosentaschen zu suchen schien.
„VERARSCH MICH NICHT!", schrie dieser urplötzlich mit einer solchen Wut, die Ayumi und den vor sich winselnden Mann wieder zusammenfahren ließ. „Alles für mich getan? Ist das dein scheiß Ernst? Red keinen Blödsinn. Wo bitte schön hast du das alles für mich getan, häh?! Denk verdammt noch mal nach, bevor du den Mund aufmachst."
Er kehrte ihm wieder den Rücken zu und blies wieder eine Rauchwolke aus seinem Mund. Ayumi blickte wieder über die Treppen und sah dem Geschehen voller Angst zu. Der Mann, der vorhin nach etwas suchte, schien besagtes gefunden zu haben.
„Ich weiß, a-aber… i-ich will dir nur sagen, d-dass alles was ich getan habe mir wirklich leidtut.", antwortete er, während er seinen Arm vor seinem Gesicht versteckte und sein weinendes Gesicht sich zu einem hämischen Grinsen veränderte.
„Dass dir was leidtut, häh? Sag mir, was tut dir leid? Na los, sag's mir ins Gesicht, du Schandfleck.", entgegnete er ihm.
„Dass was ich dir jetzt antun werde, DU DRECKSBASTARD!", schrie er, rannte ihm entgegen und holte mit seinem Taschenmesser, den er zuvor in seiner Hosentasche zurecht hielt, zum Stich aus. Ayumi schloss mit ihren Händen die Augen und drehte sich um, während ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie zwang sich dennoch keinen Laut zu machen, um die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich zu ziehen.
Alles wird gut, Ayumi. Die Anderen sind wahrscheinlich schon-
Sie stockte. Die Detective Boys sind wahrscheinlich schon in der Schule und machen sich bestimmt schon Sorgen um sie. Sie könnten ihr helfen, wie so oft. Sie sind immer da, wenn sie sie braucht. Und auch er wird ihr zu Hilfe eilen. Warum kommt er dann gerade jetzt nicht? Diese zwei Männer sind im Inbegriff dazu, sich gegenseitig kaltblütig umzubringen und im schlimmsten Fall wäre sie als nächstes dran, wenn sie erwischt wird. Was tun?
Der Remitter, natürlich! Mithilfe von der Erfindung vom Professor ist ein leichtes mit ihm Kontakt aufzunehmen. Klar, sie müsste nur unbemerkt die Treppe runterlaufen und ihm Bescheid sagen, dass sie sich hier und jetzt in möglicher Todesgefahr befindet.
Sie holte das Gerät aus ihrer Jackentasche heraus und nutzte den Lärm des Todeskampfes der beiden und rannte schnell zu sich in die Wohnung, um dort so schnell wie möglich zu verstecken. Sie war gerade in Begriff die Tür hinter sich zu schließen, als sie plötzlich einen kurzen Schrei von oben hörte, dann ein pfeifendes Geräusch und danach verstummte alles um sie herum. Ein Pfeifen und dann Stille. Nichts als Stille. Ayumi starrte in die Leere, bevor sie hastig die Tür abschloss und vor der Tür zusammensackte.
Sie starrte immer noch, als wäre sie ganz woanders. Irgendwo aber nicht hier. Das alles wäre ihr nicht passiert, wenn sie nicht ihre Hausaufgaben hier vergessen hätte. Sie legte ihre Hände über ihren Kopf und versuchte ihre schnelle Atmung zur Kontrolle zu bringen. Ihr Herz raste wie wild, lauter als alles andere in ihrer Umgebung und ihre Tränen begangen endlich von ihren Augen ihre Wangen hinunterzufließen, als sie begann leise in sich hinein zu heulen.
Ein kleiner Teil in ihr wunderte sich, warum sie so emotional darauf reagierte. In ihren Abenteuern zusammen mit den Detective Boys hat sie viele, wenn nicht sogar weitaus schlimmere Mordfälle mit angesehen und viele zusammen mit ihnen gelöst. Warum nur ist es jetzt so schwer für sie sich zu beruhigen? Ist es vielleicht, dass wo auch immer sie sich auch befand, sie nie alleine war? Oder ist es vielleicht doch nur wegen Conan? Weil er nicht da war, wo sie ihn dringend brauchte?
Ayumi versuchte wieder klare Gedanken zu fassen und klammerte sich an ihren Remitter, als plötzlich…
BAMM! BAMM! BAMM!
„Hey, is' da jemand?!", kam es aus der Tür.
Ayumi erschrak bei dem Hämmern des Mannes an der Tür so sehr, dass sie zurückfiel und stolperte. Sie befahl sich still zu verhalten, in der Hoffnung er würde endlich gehen, alles wäre wieder normal und sie könnte endlich diesen Raum verlassen und endlich in Richtung Schule laufen, zu Genta, Mitsuhiko, Conan und Ai. Zu all den anderen, die nach denen sie sich jetzt mehr als alles andere sehnte.
BOMM! BAMM! BAMM! DOMM!
„Verdammt noch mal, was zur Hölle geht hier ab, verdammte Scheiße! Komm raus und stell dich!"
Es fühlte sich an, als würde ihr Herz ein zweites Mal stehen bleiben. Das Blut pumpte ihr bis in den Kopf. Sie spürte ihr eigenes kostbares Pochen durch ihren ganzen Körper, der sich vor lauter Angst und Anspannung sich nicht einmal zu bewegen traute. Selbst Atmen war ihr schwer.
„Verdammt!"
DOMM!
Wieder Stille. Eine Minute. Zwei Minuten. Ihr Hals fühlte sich so trocken an, dass sie nicht richtig sprechen könne, ehe sie nicht etwas getrunken hätte. Drei Minuten. Sie hörte, wie er sich eine weitere Zigarette anzündete und ein paar Rauchwolken ausblies. Dann verlor er die Geduld.
BAAMMM!
„Argh, so'ne Scheiße noch mal. Ich dachte schon…" Es seufzte wieder von außen. „Sieht aus, als wäre niemand da. Tsk.", kam es aus der Tür.
Ist das sein Ernst? Das ist doch eine Falle, oder? Das kann doch nicht sein, dass er jetzt geht, wo sie jetzt doch so sehr in der Klemme steckt. Gibt er es jetzt einfach so auf?!
Sie befahl sich nicht zu bewegen bis die Luft rein war. Nur, wann ist die Luft rein? Diese Frage schoss sich ihr in Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Sie konnte nicht mehr, sie wollte nicht mehr und sie hatte es satt, hier zu verweilen.
Sie fasste sich ein Herz und lauschte mit dem Ohr an die Tür gepresst und achtete, jetzt da ihr Gehörsinn aufs Äußerste geschärft war, auf jedes einzelne noch so kleine Detail, jeden noch so kleinen Laut, jedes Geräusch oder sonst noch was für sie von Bedeutung sein könnte. Nichts. Es war nichts. Nur das überheblich schnelle Pochen ihres Herzens war ihr zu vernehmen.
Noch war sie nicht fertig. Nachdem sie all ihren Mut zusammengenommen hatte, öffnete sie die Tür, wenn auch nur einen Spaltbreit. Der Flur war leer. Kein Kampf. Kein Mord hat stattgefunden. Keine Schüsse sind gefallen. Nichts. Nur das grelle Licht, das von außen durch die Fenster auf den Boden hinabschien und sie auf die gegenüberliegende Wand reflektierte, konnte sie visuell wahrnehmen.
Sie wartete noch ein bisschen, bis sie die Tür letztendlich abschloss und vor ihr in aller Erleichterung zusammensackte. Ihr Herz klopfte immer noch wie wild. Sie nahm tief Luft, um sich zu beruhigen. Ihre rechte Hand zitterte immer noch, weshalb sie beim Einschalten des Geräts Schwierigkeiten hatte, aber sie schaffte es dennoch.
Ein leises Piepen kam aus diesem Gerät und das Mikrofon schaltete sich ein. Das Piepen wiederholte sich. Es vergingen ungefähr 50 Sekunden, die aus verbittert zurückhaltendem Schluchzen und sich gefühlt endlos dahin piepsenden Tönen bestanden, bis sich endlich jemand zu Wort meldete. Es war Mitsuhiko.
„Hallo? Bist du das, Ayumi?", knarzte seine Stimme aus dem Remitter.
Erleichtert hob Ayumi ihren Kopf und starrte seufzend hoch zur Decke. Sie hielt den Remitter fest im Griff, als sei sie besorgt, dieses zu verlieren.
„Hallooo? Ayumi, bist du da? Sag doch was. Geht's dir nicht gut?", hörte sie Mitsuhikos Stimme, was sie aus ihren Gedanken riss und worauf sie daraufhin prompt antwortete.
„Mitsuhiko! Ja, ich bin noch dran!", rief sie, wie aus der Pistole geschossen.
„Boah, Gott sei Dank! Ich hab mich schon Sorgen um dich gemacht.", lachte er, denn auch er war erleichtert, ihre Stimme zu hören.
„Ich geh noch schnell meine Sachen holen und dann komm ich so schnell wie möglich hierher, okay?", sagte sie mit zitternder Stimme und lief in ihr Zimmer, um die Hausaufgaben aus ihren Schubläden zu kramen.
„Ayumi, bist du dir da ganz sicher?"
Sie hörte Ai's Stimme. Wahrscheinlich stand sie direkt daneben und hat alles mitangehört. Ai merkte wohl an ihrer Stimme, dass da irgendwas faul war und war deshalb ganz Ohr.
Sie wollte antworten, aber sie konnte einfach nicht. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und konzentrierte sich einfach darauf die Hausaufgaben einzupacken.
„Ayumi, jetzt antworte doch, ist alles okay bei dir?", stachelte Ai nach, diesmal mit etwas lauterem Ton. Währenddessen hatte Ayumi schon ihre Sachen gepackt und lief mit ihrer Tasche in der Hand Richtung Tür.
„Verdammt. Hey, Ayumi! Hörst du uns?!", riefen beide ihr zu. Langsam wurde es ihr nervig, denn sie war vom ganzen Versteckspiel gestresst, aber das konnten die auf der anderen Seite des Remitters ja nicht wissen.
„Mir geht's gut, okay?", antwortete sie zurück.
Sie machte langsam die Tür auf und schaute sich im Treppenhaus um. Schiere Neugierde machte sich breit. Was ist da oben passiert? Warum wurde es plötzlich so still? Wo ist der stark gekleidete Mann jetzt?
„Ayumi, erzähl mir was passiert ist. Wir machen uns hier Sorgen um dich."
Jetzt gesellte sich auch noch Conan zu ihnen und seine Stimme echote im Treppenhaus, worauf ihm Ayumi mit einem „Shhhh, nicht so laut." entgegnete, was Conans Neugierde noch umso mehr provozierte. Seine Miene veränderte sich. Ihm war jetzt nicht zu Späßen zu mute.
Die Sonne, die durch die Fensterscheiben schien, blendete sie und zwang sie ihre Augen mit der Hand zu verdecken. Sie tastete sich weiter die Treppe nach oben vorran, wobei sie stets ihren Blick auf das über ihr liegende Stockwerk gerichtet hielt. Sie schluckte und bereitete sich mental auf das Schlimmste vor…
Währenddessen saßen sich Ai, Conan und Mitsuhiko gegenüber und starrten wie gebannt auf den Remitter in seiner Hand. Man konnte das mühevolle Keuchen Ayumis leise hören, wie die Treppen hochstieg.
„Dass sie auf uns so genervt reagieren würde, hätte ich nicht erwartet. So etwas sieht ihr gar nicht ähnlich.", murmelte Mitsuhiko nachdenklich.
„Stimmt und normalerweise redet sie mit uns mehr über ihre Probleme als jetzt. Sie benimmt sich schon eine lange Zeit so und genau das macht es ja merkwürdig.", entgegnete ihm Ai mit ernster Miene.
„Ich glaube, irgendetwas ist ihr passiert, sodass es ihr unter gewissen Umständen unmöglich ist, mit uns zu sprechen. Sie hat Angst, deswegen reagiert sie ohne Nachzudenken.", kombinierte Conan schnell und drehte sich schließlich um zu seiner Lehrerin.
„Frau Kobayashi, mit Ayumi stimmt irgendwas nicht, ich glaube ihr geht es nicht gut.", rief er in seiner erzwungenen Kinderstimme, auf die er ehrlich gesagt nicht wirklich stolz war. Trotzdem, diese Methode, sich absichtlich blöd zu stellen, funktionierte immer und war manchmal hilfreich, um erfolgreich an wichtige Informationen zu gelangen. Aber das war ihm in diesem Moment egal.
„Wirklich? Aber Ayumi hat sich bis jetzt noch nicht, weder bei mir, noch bei Frau Wakasa gemeldet.", antwortete sie ihm.
„Bitte, Frau Kobayashi, ich bitte sie.", versuchte es Conan noch einmal, ehe sie etwas dazu sagen konnte. Sie seufzte daraufhin.
„Na gut, du kannst ihr ja helfen.", gab sie nach.
„Danke nochmals, Frau Lehrerin! Genta, Ai und Mitsuhiko kommen aber auch mit, ja?", antwortete er.
„Ja, aber das solltest nur-"
„Alles klar, danke!"
Bevor sie etwas dazu äußern konnte, kehrte er ihr den Rücken zu und ließ sie mit fraglichem Gesicht zurück, während er alle übriggebliebenen der Detective Boys zusammentrommelte und sie gemeinsam die Schule verließen.
Auf dem Weg nahm Conan den Transmitter in die Hand und rief ihr zu, während er so schnell sie konnten ihr zu Hilfe rannten.
„Mach dir keine Sorgen, Ayumi, wir sind bald da!"
„Conan? Ihr seid schon auf dem Weg?", ertönte Ayumis Stimme aus dem Remitter.
„Ja, wir sind gleich zur Stelle! Wir sind in ungefähr 5 Minuten da! Warte auf uns und falls was ist, lass es mich wissen, ja?"
„Alles klah- ah- UWAAAAAAHHH!", kam es plötzlich aus dem Remitter und gab Conan einen riesen Schreck, worauf er angsterfüllt in das Mikrofon starrte. Er befürchtete das Schlimmste. Könnte sein, dass sie gerade von jemanden angegriffen wird oder schlimmer. SCHEISSE!
Moment mal, da stimmt was nicht. Es kann doch nicht sein, dass darauf niemand reagieren würde, es sei denn, sie wären in der Wohnung, wo es einigermaßen Schalldicht ist, was weniger Lärm und daraufhin weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Warum also wird sie im Treppenhaus angegriffen und nicht im Raum? Es macht einfach keinen Sinn. Sonst bleibt nur zwei Möglichkeiten. Erstens, der Mörder ist derzeit nicht in ihrer Nähe oder zweitens, er befindet sich zwar noch im Gebäude, hat sich aber versteckt und wartet nur darauf, dass ihr Geschrei andere Leute aus den Zimmern herausholt. Wenn, dass der Fall ist, dann- oh nein!
„Was immer auch passiert, bleib ruhig, Ayumi und tu ja nichts Unüberlegtes, hast du mich verstanden?!", rief er ihr durch den Remitter zu. Er musste sich beeilen. Schneller, sonst könnte es zu schon spät sein. Er konnte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, hätte sie ihren Remitter nicht mitgenommen. Verdammt, was sollte man in so einer Situation tun?
Er konnte das Zittern in ihrer Stimme hören, während sie, trotz ihrer triefenden Nase, ein- und ausatmete und nach seinem Rat versuchte, sich zu beruhigen.
Ayumi starrte währenddessen auf die voll mit Angst erstarrten Augen des Körpers, der sich direkt vor ihr ausbreitete, langsam an Farbe verlor und immer blasser wurde. Sie kroch vor und sah, dass aus der Jackentasche eine leichtzähe knallrote Flüssigkeit hervortrat. Daraufhin wechselte sie ihren Blick auf ihre Hände und sah zu, wie die Farbe unaufhörlich ihre Haut bedeckte und über ihre Hand herunter zu ihrem Arm floss. Ohne es zu wollen, roch sie daran und ein stark metallischer Geruch bahnte sich durch ihre Nasenschleimhäute. Es war immer noch warm.
Ayumis Augenlider weiteten sich. Sie wollte ein weiteres Mal schreien, nur um diesen Anblick, der sich ihr bot, verschwinden zu lassen, doch ihr versagte abermals die Stimme und ihr wurde schwindelig zu mute. Sie keuchte mehrmals und merkte, dass ihr Herz wieder begann unaufhörlich Adrenalin durch ihren Körper zu pumpen. Das war ihr zu viel. Sie hyperventilierte. Tränen dämmten ihr die Sicht immer mehr. Alles verblasste um sie herum, drehte sich bei ihr und wurde immer dunkler, bis sie endgültig den Halt verlor und unaufhaltsam ins Nichts stürzte. Nur das leise Tropfen von Blut konnte sie zuletzt noch wahrnehmen.
- Kapitel 2 ENDE -