Disclaimer: Die Charakter gehören Rogers & Hammerstein. Ich borge mir die Figuren für die Fanfiction, welche ich zum Spaß schreibe, nur aus und verdiene kein Geld damit.
Gute Fahrt
Wie gut, dass wir endlich in Sicherheit sind.", seufzte Brigitta, wickelte eine dunkle Haarsträhne um ihren Finger.
„Freue dich nicht zu früh. Wer weiß, was uns noch alles geschehen kann."
„Du hast ja recht, Friedrich.", Brigitta lehnte ihren Kopf an die Schulter des ältesten Bruders. „Dabei hätte alles viel schlimmer werden können."
„Ich bin froh, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.", mischte sich nun Liesl in das Gespräch ein. „Allmählich werde ich von den vielen Wellen seekrank."
Möwen kreischten, folgen von einer Richtung in die andere und ließen ab und zu an Deck etwas fallen, das den Passagieren nicht gerade behagte. Eine graue Wolke schob sich vor die Sonne, leichter Wind frischte auf.
„In deinem Alter ist man anfälliger für Krankheiten.", neckte Kurt.
„Oh die Jugend von heute.", seufzte Liesl. „Was soll nur aus dir werden?"
„Kapitän wie Vater.", prahlte Kurt. „Ich kann es kaum abwarten, zur See zu gehen."
„Dafür musst du erst noch tüchtig wachsen und ich meine nicht in die Breite."
Die übrigen Kinder lachten, während Kurt keine Miene verzog.
„Mir schmeckt es nun mal gerne."
„Auch diese Brühe hier, die man „Suppe" nennt?", gab Friedrich zurück.
„Seid doch dankbar, dass wir etwas zu essen bekommen.", meinte Louisa.
„Bin ich auch. Doch ganz ehrlich: Mir fehlen einige leckere Speisen. Wenn ich an den Schweinebraten oder die Klöße oder auch nur den Himbeerpudding denke."
„Tja, man kann nicht alles haben. Besser Suppe und Brot, als verhungern."
Die graue Wolke wanderte weiter, die Sonne brannte hernieder, als wollte sie all ihre Kraft aufbieten, obwohl oder gerade weil es schon Ende August war.
Maria beobachtete das Gespräch der Kinder, wandte sich dann wieder Georg zu, der in einem der Stühle an Deck saß und seelenruhig seine Pfeife rauchte.
„Es muss für dich seltsam sein, auf einem Schiff zu reisen, dass du nicht selbst steuerst."
„Das ist es.", gab Georg zu bedenken. „Doch ich habe mich daran gewöhnt. Obwohl es mich natürlich schon in den Fingern juckt, selbst das Steuer in die Hand zu nehmen."
„In vierzehn Tagen sollen wir in New York eintreffen.", Maria zog den Umhang fester.
„Mit einem blinden Passagier an Bord.", ergänzte Georg.
„Lange werde ich es nicht mehr verbergen können.", Maria legte eine Hand auf ihre leichte Wölbung. „Was werden wohl die Kinder dazu sagen? Besonders Gretl, die doch immer die jüngste gewesen ist."
„Abwarten und Tee trinken. Die größeren sind schon alt genug, um nicht eifersüchtig zu sein. Wenn dann kann ich es mir eher bei Marta vorstellen, dass sie nur schwer einverstanden ist. Gretl hat sich bisher immer brav und gefügig gezeigt."
„Das will ich auch hoffen. Aber wer weiß…", Maria vollendete den Satz nicht.
Im Augenblick schliefen Marta und Gretl friedlich in den Deckstühlen, sorglos, wie es nur Kinder konnten. Marta schlief mit offenem Mund. Gretl schnarchte leise.
Ein Hornsignal erklang. Es war Zeit zum Abendessen. Dass Maria mehr als die Kinder aß, fiel niemandem auf. Ja, sie hatte Hunger. Wenn sie danach vieles wieder von sich gab, würde niemand Verdacht schöpfen und glauben, dass sie einfach nur unter der Seekrankheit litt. Doch Louisa, die zweitälteste der Töchter war schlauer.
Gleich nach dem Essen sagte sie Maria frei ihren Verdacht ins Gesicht.
„Ja du hast Recht. Wie bist du darauf gekommen?", Maria deutete auf den freien Platz neben ihr auf dem schmalen Bett in der Kabine.
„Deine Figur und deine Haltung haben sich verändert.", antwortete Louisa offen. „Ich bin zwar erst 13, doch noch lange nicht blind. Auch Liesl hat es bereits geahnt."
„Freut ihr euch?"
„Was bleibt uns auch anders übrig?", Louisa hob und senkte die Schultern. „Die Zeiten werden nicht besser, wir haben wenig Geld. Und Onkel Max …"
„…ist leider auch nicht mit auf die Reise gekommen, obwohl er es euch versprochen hat.", ergänzte Maria.
„Er kümmert sich um das Haus und den Garten. Wer soll es denn sonst tun?"
„Warum sagt ihr eigentlich „Onkel" zu ihm? Er ist doch nicht verwandt?"
„Keine Ahnung. Es hat sich irgendwie so ergeben. Er will es, glaube ich, so haben."
„Ihr schreibt ihm, sobald wir sicher in Amerika angekommen sind?"
„Natürlich.", versicherte Louisa nachdrücklich. „Vorerst nur ein Telegramm, das ist billiger. Wir müssen mit dem Geld, das wir noch haben, sparsam umgehen."
„Vielleicht hätten wir doch das Haus verkaufen sollen?"
„Wer kauft heutzutage schon ein Haus? Alles wird teurer."
„Nanu? Das Baby hat sich bewegt. Zwar nur leicht, aber immerhin."
„Bist du dir sicher, Mutter?"
„Ganz sicher. Ich fühle das einfach.", Maria lächelte. „Egal was es wird, Hauptsache, es ist gesund. Das Baby frisst deinem Vater noch die letzten Haare vom Kopf."
„Keine Sorge. Er hat genügend davon.", schmunzelte Louisa.
„Dann bin ich beruhigt. Komm, lass uns zu den anderen nach oben gehen, ein wenig die Sonne genießen, bevor sie endgültig untergeht."
An Deck sagte Maria den anderen Kindern bezüglich des neuen Nachwuchses Bescheid.
„Na da habt ihr es ganz schön eilig mit dem Heiraten gehabt."
„Du Frechdachs.", Georg konnte seinem zweitältesten Sohn nicht lange böse sein.
„Wann soll es soweit sein?", wollte Marta neugierig wissen.
„Im kommenden Februar.", antwortete Maria. Gretl zählte etwas an den Fingern ab, verzählte sich und fing von neuem mit dem Zählen an. Liesl kam ihr zu Hilfe.
„Das ist ja noch so weit bis dahin."
„Fünf Monate. Vielleicht kommt das Baby auch erst im März, je nach dem, wie lange es sich Zeit lässt.", ergänzte Georg.
„Schade, dass wir keine Wolle haben. Dann könnten wir Hemden oder Jacken stricken.", Brigitta zeigte sich praktisch veranlagt.
„Das ist eine gute Idee. Vielleicht gibt es hier an Bord eine Dame, die uns Wolle verkauft. Ich werde morgen danach fragen. So und nun lasst uns schlafen gehen."
Die Kabinen waren klein und stickig. Maria teilte sich das Bett mit Marta und Gretl. Louisa und Brigitta schliefen in dem anderen Bett und Liesl auf einem kleinen Sofa. Georg, Friedrich und Kurt hatten in der Kabine nebenan Platz gefunden, auch mehr schlecht als recht. Tagsüber hielt sich die Familie meistens an Deck auf. Weitere Möglichkeiten gab es für die Passagiere der billigsten Klasse nicht.
Die Kinder schliefen ruhig, doch Maria konnte nicht schlafen, wälzte sich von einer Seite auf die andere. Zuviele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Wie sollte das nur alles werden? Die große Kinderschar, der leere Geldbeutel und vor allem das neue Land. Auch die Sprache war eine ganze andere. Von den Kindern sprachen nur Liesl und Friedrich einigermaßen Englisch und brachten es auch den jüngeren Geschwistern bei. Gut, dieser Punkt war schon einmal abgehakt. Doch wie würde es mit dem Essen in Amerika werden? Wie mit den Sitten und Gebräuchen? Maria wusste nichts über Amerika. Georg hatte diesen Plan ganz spontan gefasst und alles weitere so schnell wie möglich organisiert. In Österreich konnten sie nicht länger bleiben, in der Schweiz wollten sie nicht länger bleiben, da sie zwar geduldet wurden, jedoch keiner Arbeit nachgehen durften. Nicht einmal mit dem Singen hatten sie viel eingenommen. Kaum einer machte sich die Mühe, die Lieder zu verstehen oder ins Schweizerdeutsche zu übersetzen. Maria verstand die Welt nicht mehr.
Wie gut, dass Georg noch immer Kontakte zur Marine hatte und über einen seiner ehemaligen Kameraden auf die Idee mit der Auswanderung gekommen war. Noch in der Schweiz hatte Maria festgestellt, dass schwanger war. Bis jetzt verlief die Schwangerschaft weitestgehend ohne gröbere Probleme, wofür Maria sehr dankbar war. Die junge Frau wusste auch, dass sie auf die Unterstützung ihres Mannes zählen konnte. Er hatte das schon oft bei seiner ersten Frau, über die er jedoch nur selten sprach, schon gar nicht vor den Kindern, mitgemacht.
Maria wurde durch leises Weinen aus ihren Gedanken gerissen.
„Es wird alles gut, mach dir keine Sorgen."
Gretl schniefte, wischte sich mit dem Handrücken über die Nase: „Mir ist so kalt."
„Komm, wir rücken näher zusammen."
Marta schlug die Augen auf: „Wo bin ich?"
„In Sicherheit.", versuchte Maria ihr Mut zu machen.
„Na dann ist es ja gut.", Marta drehte sich auf die andere Seite, schloss die Augen.
Dafür war Liesl nun munter geworden.
„Brauchst du Hilfe, Mutter?"
„Alles in Ordnung.", meinte Maria. „Gretl hat vielleicht einen Alptraum gehabt."
„Ja.", gab das kleine Mädchen zu. „Ich habe geträumt, dass wir alle ertrinken."
„Du brauchst keine Angst haben. Das Schiff ist stark genug."
„Ich habe oft schlimme Träume.", wisperte Gretl, kuschelte sich näher an Maria heran.
Maria strich ihr liebevoll über die Haare. Eine kleine Geste mit großer Wirkung.
„Mir ist nach Singen zumute.", sagte Liesl.
„Wenn das so einfach wäre. Um diese Zeit schlafen die anderen Passagiere schon."
Liesl seufzte. Zwar nur leise, doch Maria hatte es gehört.
„Nanu? Hast du auch einen Alptraum?"
„Manchmal träume ich von Rolf. Wie habe ich mich nur so in ihm täuschen können."
Liesl biss sich auf die Unterlippe.
„Warum hat er uns verraten? Er hätte das nicht tun sollen."
„Das werden wir wohl nie erfahren. Vergiss Rolf einfach. In Amerika gibt es sicher nette Jungs."
„Keiner wird so sein wie Rolf. Nie und nimmer."
„Hast du ihm von unserer Reise erzählt?"
Liesel schüttelte den Kopf: „Damit er uns vielleicht die Nazis auf den Hals hetzt? Nein, danke. Ich kann Rolf nie wieder vertrauen. Das letzte was ich von ihm gehört habe, dass er sich für einen Einsatz an der Westfront freiwillig gemeldet hat."
Nun war Maria erst recht zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Doch sie zwang sich dazu, um ein gutes Vorbild für die Kinder zu sein. Obwohl oder gerade weil diese nicht aus ihrem Leib gekommen war, fühlte sie sich ihnen nahe. Auch Maria selbst war mutterlos aufgewachsen, hatte ihren Vater ebenso wenig gekannt. Davon wussten die Kinder jedoch nichts. Maria wollte sie damit nicht belasten. Derzeit gab es andere Sorgen zu bedenken, wenngleich Louisa und Kurt alles von der positiven Seite zu sehen schienen. Liesl und Friedrich zeigten sich eher pessimistisch. Brigitta verhielt sich neutral. Marta und Gretl war noch zu klein, um alles zu begreifen.
Am nächsten Tag machte sich Maria tatsächlich auf die Suche nach Wolle oder einem anderen Stoff, aus welchem sich Hemden und Jacken anfertigen lassen konnte. Viele der Passagiere waren arm, trugen nur das notwendigste bei sich und konnten daher selbst nur wenig geben. Dennoch zeigten sich die meisten von ihnen, wenn sie über ihre Zukunft sprachen, optimistisch. Im neuen Land würde alles besser werden, da hätte man viel mehr Möglichkeiten. Die Passagiere unterhielten sich in einem Sprachgemisch aus Deutsch und Englisch. Maria wurde langsam von der Lebensfreude der anderen Passagiere angesteckt und riss auch Georg mit.
Die wenige geliehene Wolle reichte gerade, um ein paar Socken daraus zu stricken. Brigitta machte sich sogleich an die Arbeit und meinte, sie werde bis zum Ende der Reise gewiss damit fertig sein. Maria gab offen zu, in Handarbeiten keine große Leuchte zu sein und war dankbar für die Hilfe des jungen Mädchens. So sehr, dass sie ganz spontan zu singen anfing. Bald darauf stimmten die Kinder und Georg und wenig später auch die anderen Passagiere in den Gesang ein. Eine ältere Dame meinte, das Lied erinnere sie an ihre frühere Heimat, welche sie nie vergessen werde. Auch sie selbst sänge gerne, habe sich das jedoch in Österreich nicht getraut.
„Na dann singen Sie eben jetzt. Wer soll es Ihnen verbieten?", meinte Brigitta ein wenig dreist. Georg gab ihr einen leichten Klaps auf den verlängerten Rücken.
Die ältere Dame nickte, ging hinüber zu Maria und flüsterte ein wenig mit ihr. Wenig später sangen die beiden gemeinsam ein Lied, ganz ohne Musik, nur mit klaren Stimmen. Die übrigen Passagiere lauschten ergriffen, einige weinten leise.
Nach dem Singen ging einer der Herren auf Georg zu, drückte ihm einen Geldschein in die Hand.
„Das kann ich doch gar nicht annehmen."
„Wenn nicht für Sie, dann für Ihre Kinder. Ich weiß, wie es ist, wenn man wenig Geld hat. Dieser Gesang muss einfach belohnt werden."
„Georg, nimm das Geld. Danke.", schloss sich Maria an. „Vielleicht haben Sie einen Vorschlag, was wir singen können? Oder möchten Sie selbst mit einstimmen?"
Jetzt war der Herr verlegen: „Ja und nein. Ich kann zwar nicht singen, doch ich habe da eine Idee. Ein ganz altes Lied, dass meine Mutter mir immer vorgesungen hat."
Schnell lernte Maria die beiden Strophen und brachte sie auch Georg und den Kindern bei.
Nun sang die Trapp Familie jeden Tag, solange die Fahrt andauerte. Der Kapitän hatte nichts dagegen und meinte, ein wenig Unterhaltung könne nicht schaden.
Georg zierte sich zuerst, doch Maria konnte ihn letztendlich überreden.
„Wie gut, dass wir die Gitarre mitgenommen haben, obwohl sie schwer zu schleppen gewesen ist."
Georg rang sich ein gequältes Lächeln ab. Was sollte er dazu noch sagen?
„Mutter, Vater, ich sehe schon das Land.", rief Kurt mit seiner hellen Stimme.