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2. September 1976
Am nächsten Morgen verkrampfte sich Hermione der Magen. Sie dachte, dass sich, nachdem sie alle zum ersten Mal gesehen und gut geschlafen hatte, ihre Nerven beruhigen würden. Sie hätte sich nicht stärker irren können. Ihre Gedanken rasten, als sie an den Tag dachte, der vor ihr lag – Welche Kurse sollte sie belegen? Wer würde in ihnen sein? Wie lange sollte sie warten, bis sie wieder mit Snape sprach? Würde Sirius sie weiterhin belästigen? Wie sollte sie damit umgehen? Hatte sie einen Fehler gemacht, sich so schnell mit Amelia anzufreunden? Sollte sie sich distanzieren, bevor sie womöglich Schaden anrichtete? All diese scheinbar unbeantwortbaren Fragen gingen ihr durch den Kopf.
Sie und Amelia saßen zusammen beim Frühstück am Ravenclaw-Tisch; Hermione mit einem unberührten Teller voller Essen vor sich, der kalt wurde. Geistesabwesend blickte sie hinüber zum Gryffindor-Tisch und sah James, Sirius, Peter und Remus, die alle die Köpfe zusammensteckten und auf etwas hinunterblickten. An ihrem Verhalten war offensichtlich zu erkennen, dass sie etwas Geheimes vorhatten und höchstwahrscheinlich auch ein bisschen Ärger. Während sie ihre Augen auf die Jungen gerichtet hatte, nicht wirklich auf sie konzentriert, sah Sirius auf. Er ertappte Hermione, wie sie zu ihm hinüberschaute und schenkte ihr ein breites Lächeln und ein Zwinkern. Schnell wandte sie den Blick ab. Amelia stieß sie mit ihrem Ellbogen an.
„Alles in Ordnung, Hermione?" fragte sie, wobei ein Stück Ei von ihrer Gabel baumelte.
Hermione schnappte sich ein Stück Toast und begann es zu buttern. „Ja", sagte sie schnell, dann sackten ihre Schultern ein. „Nun – nein Ich bin wohl ein bisschen nervös wegen meines ersten Tages", gab sie zu.
Es fiel ihr merkwürdigerweise leicht, Amelia gegenüber ehrlich zu sein. Nun, so ehrlich, wie sie nur sein konnte.
Amelia schluckte ihr Essen hinunter und lächelte sie beruhigend an. „Es ist ziemlich überwältigend, wenn man zum ersten Mal hier ist. Aber du wirst dich schnell eingewöhnen. Versprochen."
Hermione schenkte ihr als Antwort ein schmales Lächeln und nahm einen Bissen von ihrem Toast. Sie wusste, das würde alles sein, was sie an diesem Morgen essen würde.
Wenige Augenblicke später setzten sich Rita, Alice und Dorcas den beiden Mädchen gegenüber und begannen, ihre Teller zu beladen. Hermione und Amelia begrüßten sie, als Rita begann, Hermione zu beäugen, wieder einmal mit dieser hungrigen Neugierde.
„Also", begann sie. „Du bist Dumbledores Nichte, ja?" fragte Rita, als ob sie Hermione interviewen wollte.
Und so begann das Verhör. Hermione atmete laut aus.
„Ja", antwortete sie, während ihr Blick auf ihrem Teller blieb.
Alice und Dorcas kicherten.
„Das muss so ... so ... seltsam sein", sagte Alice.
Dorcas' Kopf wippte begeistert, es schien, dass sie zustimmte.
Hermione sah zu ihnen auf; zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine Falte.
„Warum? Mein Onkel ist ein erstaunlicher Mann. Ich sehe daran überhaupt nichts Seltsames", antwortete sie ein wenig hitzig.
Die beiden Mädchen lachten mehr über ihre Antwort und Rita lächelte sie herablassend an.
„Natürlich ist er das, Hermione", sagte sie.
Amelia sah sie aus den Augenwinkeln an, zuckte mit den Schultern und schüttelte leicht den Kopf.
Hermione verdrehte die Augen.
Sie fuhr fort, ihren Toast zu zerpflücken, während die Mädchen tratschten und sich über die neuesten Skandale, die angeblich in den Sommerferien passiert waren, austauschten. Sie konnte sich auf kein einziges Wort konzentrieren, das sie sagten.
Sie schaute über ihre Schulter zum Slytherin-Tisch und bemerkte, dass Snape noch nicht da war; eine Welle der Enttäuschung überkam sie, als sie sich wieder umdrehte. Sie hatte gehofft, mit ihm zu sprechen, ihn wissen zu lassen, dass sie nicht verrückt war, sondern einfach neu hier und jemandem Hilfe anbieten wollte, der sie zu brauchen schien. Während sie das Gespräch mit ihm im Kopf durchspielte, holte sie eine vertraute piepsige Stimme in die Gegenwart zurück.
„Miss Devereux?" Ein junger Professor Flitwick stand hinter ihr und lächelte strahlend.
Hermione konnte nicht glauben, wie jung er aussah. Wenn sie hätte raten müssen, hätte sie angenommen, dass er zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Jahre unterrichtete. Er war immer noch so klein wie eh und je und hatte dunkles, braunes Haar, kein bisschen grau, und die Krähenfüße um seine blauen Augen fehlten.
„J-Ja. Das bin ich", antwortete sie leise.
„Ich bin Professor Flitwick, Miss Devereux. Ich bin Ihr Hausleiter", stellte er sich
fröhlich vor.
Dass Flitwick ihr Hausleiter war, war eine weitere Sache, die Hermione nur schwer fassen konnte, nach sechs Jahren McGonagall.
„Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Sir", lächelte sie.
Flitwick schaute auf einen Stapel Pergament, den er in der Hand hielt. „Ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht kurz mit Ihnen sprechen könnte. Wir müssen besprechen, welche Kurse Sie in diesem Schuljahr belegen werden."
„Natürlich, Professor."
Hermione nahm ihre Tasche, sagte Amelia, dass sie sie nach dem Frühstück sehen würde und folgte Professor Flitwick auf den Korridor hinaus.
Er blätterte in dem Pergament in seinen Händen und murmelte leise. „Devereux? Devereux? Devereux...? Ah! Da haben wir sie."
Hermione sah schockiert zu Flitwick hinunter, während er las, was auch immer für erfundene Informationen Dumbledore über sie weitergegeben haben musste.
„Professor Dumbledore hat mir freundlicherweise die Abschriften Ihrer Mutter gegeben – von Ihrem Hausunterricht", informierte er sie.
Obwohl sie nicht erstaunt sein sollte, war sie es doch. Ihre Augen weiteten sich das kleinste bisschen während sie sich fragte, was Dumbledore wohl sonst noch alles gefälscht haben mochte. Es hätte sie nicht überrascht, wenn sie irgendwo auch eine gefälschte Geburtsurkunde hätte.
„Oh. Das ist gut", murmelte sie. Sie wusste nicht, was sie sonst antworten sollte.
Sie beobachtete Flitwicks Augen, die ihre gefälschten Noten überflogen, und wartete darauf, dass er sprechen würde.
„Ihre Noten sind alle außergewöhnlich gut, Miss Devereux. Sehr gut. Wirklich sehr gut", lobte er sie.
Hermione warf einen Blick auf den Zettel, den Flitwick las, und erstickte fast als sie bemerkte, dass es sich nicht um falsche Noten handelte, sondern um ihre tatsächlichen Noten in Hogwarts, bis zu ihrem fünften Jahr. Nur die Namen der ProfessorInnen wurden entfernt, und die Zeitangaben wurden geändert.
Dumbledore hat wirklich an alles gedacht, nicht wahr, dachte sie sich, während sie versuchte den schockierten Ausdruck aus ihrem Gesicht zu bekommen.
„Danke, Sir", hauchte Hermione als Antwort.
Er schob die Papiere noch ein wenig hin und her und zog eines heraus, von dem Hermione sah, dass es leer war.
„Nun. Sie können sich aussuchen, mit welchen Fächern Sie weitermachen wollen", lächelte er.
Sollte sie eine volle Kurslast auf sich nehmen? Oder sollte sie es vielleicht ein bisschen ruhiger angehen lassen, während sie hier war? Hermione hatte sich während ihrer gesamten Schulzeit überanstrengt, und ihre Schulausbildung war nicht der Grund, warum sie momentan in Hogwarts war, also hätte sie vielleicht eine leichtere Last nehmen sollen. Aber sie hatte Angst, dass sie, wenn sie zu viel Freizeit hatte, in Versuchung kommen könnte
etwas Dummes zu tun. Je mehr sie sich beschäftigte, desto geringer war vielleicht die Chance, die Zukunft ernsthaft in Gefahr zu bringen.
„Miss Devereux?" drängte Flitwick.
Hermione riss sich davon los.
„Tut mir leid, Professor", entschuldigte sie sich schnell. „Ich denke, ich werde mit Alten Runen weitermachen, Arithmantik, Zauberkunst, Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Kräuterkunde, Zaubertränke und Verwandlung. Wenn – wenn das in Ordnung ist?" fragte sie unsicher.
Flitwick tippte mit seinem Zauberstab auf das leere Stück Pergament und Hermione sah, wie ihr Stundenplan erschien.
„Ja, Miss Devereux. Das ist völlig in Ordnung."
Bevor er ihn ihr reichte, drehte er ihn um und tippte noch einmal mit seinem Zauberstab darauf. Hermione sah, wie schwarze Tinte herauskroch und eine kleine Karte von Hogwarts bildete. Die Wege zu ihren Klassen waren rot hervorgehoben.
„Hier, bitte." Flitwick reichte das Pergament an Hermione weiter. „Das ist Ihr Stundenplan. Ich habe mir auch die Freiheit genommen, eine Karte der Schule für Sie auf die Rückseite zu geben", lächelte er. „Die einfachsten Wege zu Ihren Klassen sind rot markiert."
Obwohl sie bereits wusste, wie sie zu jedem dieser Klassenzimmer kam – und bessere Abkürzungen kannte – konnte sie nicht anders, als von dieser freundlichen Geste berührt zu sein.
„Vielen Dank, Professor. Das war sehr nett von Ihnen", sagte sie; ihre Stimme wurde schwer.
Er tätschelte Hermione auf den Ellbogen und machte sich auf den Weg zurück zur Großen Halle mit Hermione neben ihm.
„Wenn Sie Probleme haben oder Hilfe brauchen, soll Sie eine Ihrer MitbewohnerInnen in mein Büro bringen. Ich wäre mehr als glücklich, wenn ich Ihnen helfen könnte", sagte er ihr, als sie den Eingang erreichten.
„Das werde ich, Sir. Ich danke Ihnen nochmals."
Flitwick wünschte ihr Glück und machte sich auf den Weg zum Lehrertisch. Hermione blieb zurück, im Türrahmen, und schaute auf ihren Stundenplan, um zu sehen, welche Kurse sie an diesem Tag haben würde.
Es sah so aus, als würde Verwandlung mit den Gryffindors an diesem Tag als erstes stattfinden. Wunderbar, dachte sie. Dann kam Arithmantik, eine Freistunde, Mittagessen und dann, ihr fiel das Herz in die Hose. Zaubertränke… Nun, er würde bestimmt –
Plötzlich stolperte sie nach vorne, als jemand ihr auf den Rücken prallte und sie hörte Bücher auf den Boden fallen.
„Oh! Es tut mir so leid-", sie brach sofort ab, als sie sich umdrehte und sah, wer sie
anstarrte.
Natürlich..., dachte sie säuerlich.
Snape holte tief Luft und kniff sich in den Nasenrücken. „Was tust du da – die Tür so zu blockieren?" knurrte er.
Hermione wich automatisch einen Schritt zurück. So sehr sie es auch nicht zugeben wollte, der junge Severus Snape schüchterte sie genauso ein, wie es der ältere Professor Snape getan hatte.
„Ich – ich wollte nur – es tut mir leid", stammelte sie.
Ihr Herz klopfte wie wild. Bis jetzt waren ihre ersten Begegnungen mit ihm überhaupt nicht gut verlaufen.
Er atmete laut aus, als Hermione sich auf den Boden fallen ließ und hastig seine Bücher einsammelte. Snape half ihr nicht. Sie blickte auf und sah, dass er völlig ungläubig auf sie herabstarrte. Seine Augenbrauen trafen auf seinen Haaransatz und sein Mund war leicht geöffnet. Sie schaute schnell wieder nach unten, stapelte seine Bücher, stand auf und hielt sie ihm hin.
„Hier, bitte. Nochmals, es tut mir leid", sagte sie schnell.
Ganz langsam nahm Snape sie ihr ab. Er hob eine Augenbraue und schüttelte den Kopf. Hermione spürte, wie ihr Gesicht warm wurde.
„Wir – äh – wir müssen aufhören, uns auf diese Weise zu treffen", scherzte sie mit einem unbehaglichen Lachen. Er runzelte die Stirn.
Wir müssen aufhören, uns auf diese Weise zu treffen? Sie stöhnte innerlich über ihren lahmen Versuch eines Witzes. Das war nicht gerade hilfreich für die ganze Er-denkt-sie-wäre-ein-Spinnerin-Situation.
Sie schlurfte nervös mit den Füßen und wusste nicht, was sie sagen sollte. Snape räusperte sich.
„Warum hast du mich gestern Abend so angestarrt?" fragte er unverblümt.
Hermione war verblüfft. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen sollte. Sie konnte ihm sicherlich nicht die Wahrheit sagen.
„Ich – ähm – ich – habe ich?" Sie hielt ihre Augen weit offen und unschuldig.
Geschmeidig, dachte sie.
Snape schnaubte wütend.
„Ich habe dich mit Black gesehen. Will er dich zu etwas anstiften?" warf er ihr hitzig vor. Sein blasses Gesicht nahm ein wenig Farbe an.
Hermione machte einen furchtbaren Fehler; sie lachte. Es war für sie völlig absurd, dass er zu diesem Schluss gekommen war.
„Es tut mir leid, aber ... was?"
Er war von Sinnen!
Er machte einen Schritt auf sie zu, was Hermione veranlasste, einen Schritt zurückzutreten. Es lag echte Wut in seinen Augen.
„Bleib mir bloß vom Leib", zischte er und schob sich an ihr vorbei.
Sie war völlig verblüfft, als sie aufstand und ihn zum Slytherin-Tisch eilen sah.
Sie stand wie angewurzelt da und hatte ihren Blick immer noch auf Snape gerichtet – der, wie es schien, aktiv versuchte, sie nicht anzusehen – als sie einen Arm um ihre Schulter spürte; sie sprang auf.
„Oh!"
„Tut mir leid, Devereux. Ich wollte dich nicht erschrecken", schmunzelte Sirius.
Nach dem, was Snape ihr gerade vorgeworfen hatte, hätte es für Sirius keinen schlechteren Zeitpunkt geben können, um zu versuchen, sie anzubaggern.
Hermione riss sich von ihm los und starrte ihn böse an. „Was willst du, Black?" schnauzte sie.
Sirius trat einen Schritt zurück und hob seine beiden Hände, die Handflächen nach vorne.
„Hey, ganz ruhig. Es sah so aus, als hättest du Ärger mit dem guten alten Snape, und ich dachte, ich komme mal vorbei, um zu sehen, ob du meine Hilfe brauchst", sagte er mit einem bösen Schimmer in den Augen.
Hermione schnaubte, machte einen Schritt auf ihn zu und stieß ihm den Finger in die Brust. „Ich brauche keinen Retter in der Not, Black!" zischte sie.
Sirius wich einen schnellen Schritt zurück, und sein Mund klappte vor Schreck auf. Er sah verletzt aus, aber Hermione hätte sich nicht die Mühe machen können, sich darum zu kümmern. Selbst unter normalen Umständen hasste sie es, als eine Art lächerliche Jungfrau in Nöten behandelt zu werden.
Sie bemerkte nicht, dass alle ihren Wortwechsel mit Sirius beobachtet hatten, bis sie die ohrenbetäubende Stille und ein Stück Silberbesteck auf den Boden fallen hörte.
Hermione spürte, wie sich ihre Wangen vor Verlegenheit erhitzten, und sie drehte langsam ihren Kopf in Richtung der SchülerInnen in der Halle, als lautes Gelächter an den vier Tischen ertönte. Sie warf einen panischen Blick in Richtung Amelia, einen kurzen Blick auf Snape und stürmte dann aus der Großen Halle. Na toll. Jetzt würden alle denken, sie sei völlig durchgeknallt.
Als sie den Gang hinunterlief und sich ein wenig beruhigte, begann sie sich etwas schlecht zu fühlen, Sirius so anzuschnauzen. Er konnte nicht wissen, was gerade zwischen ihr und Snape gesagt wurde. Sie dachte an den verletzten und verwirrten Ausdruck in seinem Gesicht und begann, sich schlechter zu fühlen.
Bevor sie ging, sah sie auch zufällig Snapes völlig ungläubigen Blick. Seine Augen waren so groß wie Untertassen und seine Kinnlade fiel herunter. Sie hoffte, dass diese kleine Szene mit Sirius alle Gedanken, dass sie etwas mit ihm aus ausheckte, aus Snapes Kopf ausräumte. Warum sollte er auf diesen Gedanken kommen? War es wirklich so schwer für ihn zu glauben, dass jemand aufrichtig freundlich zu ihm war? Wie schrecklich hatte er es dort?
„Hermione!" rief Amelia vom Flur aus.
Sie blieb stehen und drehte sich um, um zu warten, während Amelia ihr hinterherlief.
„Hey Amelia", sagte Hermione, als sie sie erreichte.
„Hey. Was sollte das denn?" fragte sie, als sie den Eingang zum Verwandlungsklassenzimmer erreichten.
Sie waren zu früh dran, die Tür war verschlossen, also lehnten sich die Mädchen an die Wand und warteten, bis Professor McGonagall kam und sie hineinließ. Hermione hatte Amelias Frage immer noch nicht beantwortet.
„Und?" drängte sie.
Hermione atmete tief ein. „Ich stand in der Tür, schaute auf meinen Stundenplan und Snape stieß mit mir zusammen. Seine Bücher fielen wieder überall hin. Ich habe sie für ihn eingesammelt und dann wurde er mir gegenüber ein wenig knapp", erklärte sie.
„Du hast nicht gerade viel Glück mit ihm, oder?" fragte Amelia, während sie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.
Hermione schüttelte sanft den Kopf. „Nö."
Laute Stimmen, begleitet von Gelächter, drangen durch den Flur. Hermione blickte nach unten zu der Quelle des Lärms und Anspannung erfüllte ihren Körper. Es waren James, Sirius, Remus und Peter, die auf sie zukamen. Verdammt fantastisch.
„Was ist mit Black passiert?" fragte Amelia leise, als sie die Jungs ebenfalls ankommen sah.
Hermione drehte ihren Kopf und vergewisserte sich, dass sie noch weit genug weg waren. „Er dachte, er würde mich vor dem großen bösen Snape retten", flüsterte sie schnell. „Ich sagte ihm, er soll sich verpissen und bin gegangen. Ich bin nicht interessiert."
Amelia sah Hermione fast schon verwundert an. „Da bist du sicherlich in der Minderheit, Hermione. Die meisten Mädchen hier würden dafür töten, dass er ihnen nachstellt."
„Nun, dann bin ich nicht wie die meisten Mädchen", lachte Hermione. „Außerdem bin ich, wie ich schon sagte, nicht hier, um auszugehen. Nicht nur nicht mit ihm, sondern mit niemanden."
Die Jungen kamen näher, was Hermiones Puls noch schneller schlagen ließ. Sie würde möglicherweise ihre erste Begegnung mit James und Remus haben. Sie zerrte an Amelias Ärmel und zog sie näher an die Tür, in der Hoffnung, dass sie sie in Ruhe lassen würden.
Sie hörte James' Stimme. Sie wusste, dass es James war, weil er sich so sehr wie Harry anhörte. Es drehte ihr den Magen um und die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
„He, Sirius? Ist das nicht der Vogel, der so vernünftig ist, dir einen Korb zu geben?" scherzte er laut.
„Oh, sie wird es sich schon noch überlegen", antwortete Sirius selbstgefällig.
Amelia verdrehte die Augen und sah Hermione an, die wie erstarrt dastand. Sie konnte immer noch nicht fassen, wie sehr er und Harry sich ähnelten.
„Hermione? Geht es dir gut? Du siehst aus, als würde dir gleich schlecht werden", fragte Amelia besorgt.
„Nein. Nein, mir geht es gut", log sie.
Lass sie nicht zu uns kommen. Bitte, lass sie nicht kommen, flehte sie in ihrem Kopf.
„Ich glaube, ich gehe und stelle mich vor", verkündete James.
Scheiße ... Okay. Atmen, sagte sie sich.
„Oh, um Himmels willen..." Hermione hörte Amelia murmeln.
Hermione drehte sich um und sah, wie James sich duckte, als Sirius versuchte, ihn zu schlagen, und dann ging er auf sie zu. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Herz in der Kehle klopfen. James stolziert mit einem breitem Lächeln herüber; Sirius blickte ihm nach. Remus und Peter lachten leise.
„Hallo!" grüßte er sie.
Es war unausweichlich, dass sie irgendwann mit ihm sprechen würde. Sie musste sich zusammenreißen.
„Hallo", sagte sie schüchtern.
„James Potter. Devereux, richtig?" sagte er und streckte seine Hand aus; Hermione nickte. „Ich dachte nur, ich komme mal vorbei und gratuliere dir."
Sie erwiderte seinen Händedruck und hob eine Augenbraue.
„Mir gratulieren?" fragte sie verwirrt.
„Dafür, dass du Sirius einen Dämpfer verpasst hast. Es wird Zeit, dass das jemand tut", gluckste er.
Hermiones Augen wurden groß. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
„He!" schrie Sirius.
James drehte sich um. „Halt's Maul, Tatze." Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Hermione. „Sei nicht zu hart zu ihm. Er ist relativ harmlos", zwinkerte er.
„O-Okay", murmelte Hermione und begann zu zappeln.
„Na gut, Potter. Lass sie in Ruhe, ja? Es ist erst ihr erster Tag und ich bin mir sicher, dass es schwer genug ist, ohne dass ihr sie stört", schimpfte Amelia.
James sah aus, als hätte er gerade erst bemerkt, dass Amelia da war, und lächelte strahlend. „Hey Bones. Guter Sommer?"
Hermione war Amelia wieder einmal äußerst dankbar dafür, dass sie sie aus einer überwältigenden Situation mit Leuten, von denen sie wusste, dass sie in ihrer Zeit tot waren, herausholte. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass sie ihre Freundschaft akzeptierte.
„Ja, einfach entzückend. Danke", antwortete sie trocken und verschränkte die Arme. „Würdest du sie jetzt bitte einfach in Ruhe lassen?"
Als James den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, kam Professor McGonagall. Hermione ließ bei ihrem Anblick einen Seufzer der Erleichterung aus. Auch wenn Hermione es zu diesem Zeitpunkt schon erwartet hatte, war die jüngere Version ihrer Verwandlungsprofessorin ein weiterer Schock für sie. Ihr strammer Dutt war tiefschwarz, die Falten um ihre Augen waren immer noch da, aber viel weniger ausgeprägt und ihre Lippen waren in ihrer Jugend ein wenig voller.
Beim Anblick von McGonagall wich James mit seiner Gruppe zurück und ließ Hermione und Amelia allein. Sie öffnete den SchülerInnen die Tür, und sie betraten das Klassenzimmer. Die beiden Mädchen nahmen zusammen einen Platz ganz vorne im Klassenzimmer ein, während die vier Jungen die Plätze ganz hinten füllten. Hermione war erleichtert, dass sie während des Unterrichts nicht in ihrer Nähe sein würde.
„Sind sie nicht ein reizender Haufen?" Amelia zuckte mit dem Kopf in Richtung Sirius, James, Remus und Peter. „Nun", fügte sie schnell hinzu, „Lupin ist gar nicht so übel. Er ist ein Vertrauensschüler und eigentlich ziemlich ruhig. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, warum er sich mit diesen Typen eingelassen hat."
Hermione bemerkte, dass Amelia leicht errötete, als sie von Remus sprach, und konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob sie ein wenig in ihn verknallt war. Wenn ja, dann fand Hermione
es ziemlich süß.
Vielleicht hätte sie versuchen sollen, die beiden zusammenzubringen, dachte sie. Nein, das konnte sie nicht, erinnerte sie sich schnell. Sie war sich ziemlich sicher, dass das unter die Kategorie „Einmischung" gefallen wäre.
„Sie sind ein bisschen viel", sagte Hermione achselzuckend. „Aber sie scheinen ziemlich harmlos zu sein. Ganz typische Teenager-Jungs."
Sie griff nach ihrer Tasche, holte ihr Buch, einen Federkiel, Tinte und etwas Pergament heraus und wartete darauf, dass der Unterricht begann. Bald waren alle Plätze besetzt, Edgar und Otto saßen hinter Hermione und Amelia., Alice und Dorcas saßen den Mädchen gegenüber und Rita und Sturgis saßen hinter ihnen.
„Alles klar, Hermione?" fragte Edgar, als er sich setzte.
Hermione drehte sich um und schenkte den beiden Jungen ein Lächeln. „Alles klar. Und bei euch?"
„Ausgezeichnet. Ich habe gesehen, wie du Snape heute Morgen niedergeschlagen hast. Was hat er getan?" Edgar lachte und Otto stimmte ein.
„Ich habe ihn nicht niedergeschlagen!" verneinte sie schnell. „Er ist in mich hineingelaufen. Es war ein Unfall."
Die beiden Jungen ignorierten das völlig. „Und dann hast du Black angegriffen. Ich glaube, du bist mein neuer Lieblingsmensch", lächelte Otto breit.
Auch wenn es völlig lächerlich war, konnte Hermione nicht anders und lachte leise. Otto war einfach einer dieser Menschen, die ein sehr ansteckendes Lächeln hatten. Man konnte nicht anders, als zurück zu lächeln.
„Also gut, beruhigt euch", rief McGonagall. Hermione drehte sich sofort um und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den vorderen Teil des Raumes.
Ihre erste Verwandlungsstunde verlief genauso wie in ihrem ursprünglichen sechsten Jahr. McGonagall sprach kurz über ihre UTZs, erklärte, wie sie mit nonverbalen Zaubern arbeiten würden müssen und sie begannen mit dem Lernen und Üben von Beschwörungszaubern. Da sie es bereits getan hatte, war Hermione die erste Schülerin, die es schaffte, ein flauschiges weißes Kaninchen auf ihren Schreibtisch zu zaubern.
Amelia schaute mit offenem Mund hinüber. „Wie – wie hast du das so schnell geschafft?" flüsterte sie.
Hermione zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich – ich habe es einfach getan?"
„Ausgezeichnete Arbeit, Miss Devereux. Zehn Punkte für Ravenclaw", lächelte McGonagall sie an.
Hermione strahlte sie zurück an. Sie konnte nicht anders und hatte dieses vertraute Gefühl von Zufriedenheit und Glücksgefühl, das mit der Anerkennung ihrer ProfessorInnen einherging und mit, obwohl sie es nie laut zugegeben hatte, den neidischen Blicken die ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf den Gesichtern hatten. Ein Teil von ihr genoss es wirklich, die Erste zu sein, die eine Aufgabe in ihrer Klasse bewältigte.
Am Ende der Stunde hatten es die meisten SchülerInnen geschafft, etwas zu heraufzubeschwören, Kaninchen, Kröten oder Raben. Diejenigen, die es nicht schafften, wurden aufgefordert, für die Hausaufgaben zu üben, diejenigen, die es schafften, hatten keine. Hermione packte ihre Sachen zurück in ihre Tasche, stand auf und wartete darauf, dass Amelia ihre Sachen einsammelte.
„Was hast du als Nächstes, Amelia?" fragte sie.
„Muggelkunde."
Ihre Antwort war gedämpft, weil sie vornübergebeugt war, um ein Buch in ihre Tasche zu stopfen.
Hermione war enttäuscht, dass sie ihre nächste Stunde allein besuchen musste. Sie begann, sich an Amelia zu klammern wie an einen Rettungsring, denn sie hatte ihr schon aus so vielen unangenehmen Situationen geholfen. Ihre Stirn legte sich in Falten und ihre Lippen zogen sich zusammen.
„Oh", sagte Hermione traurig. „Ich habe Arithmantik."
„Habe ich richtig gehört, dass noch jemand Arithmantik belegt?" sagte Sturgis von hinten.
Hermione wusste, dass das nicht gerade ein beliebter Kurs war, und sie war dankbar, dass es so aussah, als würde wenigstens ein bekanntes Gesicht dabei sein.
„Das habe ich. Du nimmst es auch?" fragte sie fröhlich.
Er nickte. „Jep."
„Oh, gut. Dann kann Sturgis dir den Weg zeigen", sagte Amelia, während sie aufstand und ihre Tasche über die Schulter hievte. Sie sah ein wenig erschöpft aus. „Ich muss mich beeilen. Ich will nicht zu spät kommen." Sie beäugte Hermione vorsichtig. „Kommst du zurecht?"
Sie versicherte Amelia, dass es ihr gut gehen würde, und Amelia eilte schnell zu ihrer nächsten Stunde.
„Sollen wir also?" fragte Sturgis.
Hermione und Sturgis gingen zusammen zu Arithmantik und unterhielten sich in der seltsamen Art von zwei Menschen, die sich gerade erst kennen gelernt hatten. Er fragte sie, was sie bisher von Hogwarts dachte, ob es ihr lieber ist, als zu Hause unterrichtet zu werden, und was sie von den SchülerInnen hielt. Sie antwortete, so gut sie konnte.
Als sie im Klassenzimmer ankamen, fragte Sturgis, ob Hermione sich in der Stunde zu ihm
setzen wollte, da sie die einzigen beiden Ravenclaws seien, die das Fach weiternehmen würden. Sie stimmte zu und sie setzten sich in die Mitte des Klassenzimmers. Zu diesem Zeitpunkt waren nur zwei andere SchülerInnen in der Klasse; zwei Hufflepuffs, die sie nicht erkannte. Nach ein paar Augenblicken hörte sie, wie andere hereinkamen und drehte sich um, um zu sehen, wer es war.
Alle hatten Recht gehabt, nicht wahr, stellte sie fest, als sie sich dabei ertappte, wie sie in eine exakte Kopie von Harrys Augen starrte. Lily betrat mit Remus das Klassenzimmer. Sie schluckte laut.
Lily und Remus gingen an ihr und Sturgis vorbei und lachten. Hermione starrte Lily an. Sie war umwerfend. Lily hatte langes kastanienbraunes Haar, große, funkelnde grüne Augen, einen blassen, klaren Teint und rosige Wangen, für die die meisten Mädchen ihre Seele eingetauscht hätten. Als sie sich auf ihren Plätzen niederließen, hörte Hermione Teile ihres Gesprächs.
„- kann nicht Rem. Er ist einfach – einfach… ein Arsch!"
Remus gluckste leise und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, Lils, aber er ist bei weitem nicht mehr so schlimm, wie er einmal war. Wirklich, was würde ein einziges Date schaden? Du würdest ihn endlich dazu bringen, den Mund zu halten."
Ahh. Sie müssen über James gesprochen haben, nahm sie an. Harry hatte ihr erzählt, dass seine Mutter während ihrer Schulzeit eine Zeit lang nicht gerade begeistert von seinem Vater war.
Hermione war fasziniert und lauschte weiter dem Gespräch der beiden.
„Wird nicht passieren. Du kannst James also sagen, dass du es versucht hast, aber du konntest mich nicht überreden", sagte sie wissend.
„Das – das hat er nicht. Er hat mich nicht darum gebeten, mit dir zu reden", stotterte Remus.
Lily stieß ein lautes Lachen aus. „Sicher hat er das nicht."
Hermione versuchte, ihr Lachen zu unterdrücken, damit die beiden nicht wussten, dass sie sie belauschte, und bückte sich, um ihre Bücher zu holen. Als sie sich wieder aufsetzte, sah sie, dass Sturgis mit einer hübschen Blondine – einer der Hufflepuffs – plauderte, und dann spürte sie, wie jemand an ihr vorbeiging. Als sie sich umdrehte, um zu sehen, wer es war, war sie wieder einmal überwältigt von einer jüngeren Version einer ihrer ehemaligen ProfessorInnen. Sie dachte, sie hätte sich inzwischen daran gewöhnt, aber als sie jede von ihnen sah, war sie jedes Mal aufs Neue fasziniert.
Professor Vector begrüßte die SchülerInnen, ließ sie ihre Bücher aufschlagen und begann eine Vorlesung zu halten. Hermione kritzelte eifrig auf ihrem Pergament herum, während sie ihre Notizen machte. Sie wusste, dass sie nicht so gründlich sein musste, wie sie es normalerweise wäre, aber die Angewohnheit, eine übereifrige Schülerin zu sein, hatte sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben viel zu tief eingebrannt.
Als die Klasse entlassen wurde, dehnte Hermione den Krampf in ihrer Hand und räumte ihre Sachen weg. Sie hörte, wie Remus zu Lily sagte, er würde sie später sehen, und dann zuckte sie zusammen, als jemand ihren Namen sagte.
„Hermione Devereux, richtig?"
Hermione sah langsam auf; es war Lily.
„Ja, das bin ich." Sie versuchte, so natürlich wie möglich zu lächeln.
So nervös war sie noch nie gewesen. All die Geschichten, die sie über Lily Potter gehört hatte, was für ein Mensch sie gewesen war und wie sie ihr eigenes Leben für ihren eigenen Sohn geopfert hatte, ließen sie wie eine Art überirdische Heldin erscheinen. Wie ein Mythos, mehr als ein wirklicher Mensch.
Aber in diesem Moment war sie nur eine Schülerin, genau wie Hermione, stellte sie fest, als Lily sie herzlich anlächelte.
„Hallo. Ich wollte mich nur kurz vorstellen. Ich bin Lily Evans", sagte sie höflich.
„Es ist schön, dich kennenzulernen", antwortete Hermione mit hoher Stimme.
Sie musste sich beruhigen.
„Freut mich auch, dich kennenzulernen. Wie gefällt es dir bisher in Hogwarts?" fragte sie.
Überwältigend. Herzzerreißend. Verwirrend. Beängstigend.
„Es scheint wirklich toll zu sein. Alle waren sehr nett."
„Das ist schön zu hören", lächelte Lily. „Ich weiß, dass du wahrscheinlich FreundInnen in deinem eigenen Haus hast, aber wenn du etwas brauchst, würde ich dir gerne behilflich sein", bot sie an.
Hermione erkannte, dass die Leute nicht übertrieben hatten. Lily war wirklich ein aufrichtig freundlicher und herzlicher Mensch. Schon in den dreißig Sekunden, die sie miteinander gesprochen hatten, fühlte sich Hermione sehr wohl bei ihr. Es schien, als hätte Lily einfach diese Art an sich.
„Ich danke dir, Lily. Das ist sehr nett von dir", sagte Hermione.
„Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muss jetzt wirklich zu meiner nächsten Unterrichtsstunde gehen. Noch einmal, es war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen. Ich hoffe, es gefällt dir hier!"
Als Lily ihre Tasche über die Schulter zog, bedankte sich Hermione noch einmal bei ihr. Dann bemerkte Hermione, dass sie allein im Klassenzimmer war, Sturgis war wohl ohne sie losgezogen. Sie nahm an, dass er diese Hufflepuff verfolgte, mit der er geflirtet hatte.
Sie war froh über den Moment der Ruhe und nahm sich einen Moment Zeit, um ihren Stundenplan hervorzuholen. Sie sah, dass sie vor dem Mittagessen eine Freistunde hatte und war mehr als dankbar dafür. Sie brauchte ein wenig Zeit für sich und beschloss, diese freie Zeit mit einem Spaziergang auf dem Gelände zu verbringen. Sie musste sich geistig auf ihre erste Unterrichtsstunde mit Snape vorbereiten.